Wir führten dieses Interview mit Dr. Andrea Hocke, Leiterin der gynäkologischen Psychosomatik der Universitätsfrauenklinik Bonn.

Es gibt eine Studie der Uni Dresden, die besagt, dass außer den Hitzewallungen alle anderen Beschwerden, die üblicherweise im Zusammenhang mit den Wechseljahren erwähnt werden, keine reinen Wechseljahresbeschwerden sind. Was sagen Sie dazu?

Ich finde dies ist ein ganz wichtiges Ergebnis, da es sehr hilfreich ist, wenn man Frauen erklären kann, dass diese Beschwerden nicht „typisch“ sind. Man „normalisiert“ die Beschwerdesymptomatik und entpathologisiert sie auch dadurch. Betrachtet man andere Kulturen, so sind die Wechseljahre nicht unbedingt mit Belastung und negativen Veränderungen behaftet.

Es kann im Gespräch mit der Frau sehr wichtig sein, die Belastungen in der Zeit der Wechseljahre gemeinsam zu betrachten und zu erarbeiten, warum sie belastend sind und wie Linderung geschaffen werden kann.

Die Studie ist kritisch im Hinblick auf die Hormonersatztherapie. Was ist ihre Position?

Ich habe meine Gyn.-Karriere begonnen zu einer Zeit, in der alle Hormone bekommen haben. Dann kam die Zeit nach der amerikanischen Studie und Hormone waren völlig verteufelt. Jetzt erfolgt ein individueller Ansatz, der ein Augenmerk auf Risiken und Nebenwirkungen hat. Ich habe den Eindruck, dass deutlich weniger Frauen Hormone „brauchen“ und Ärzte individueller behandeln. Östrogene für alle postmenopausale Frauen war meines Erachtens noch nie der richtige Weg.

Was bedeutet das für das Thema Scheidentrockenheit?
Scheidentrockenheit entsteht menopausal durch einen Östrogenmangel. In der Regel reicht die vaginale Applikation von Östrogenen in Form von Salben oder Zäpfchen. Hierbei kann die Anwendung ganz individuell und beschwerdenorientiert erfolgen.

Auch gibt es viele Frauen, die  nach der Menopause diesbezüglich nicht belastet sind und z.B. Gleitgel beim Geschlechtsverkehr ausreichend ist. Eine systemische Hormongabe in Form von  z.B. Pflastern ist in der Regel bei der alleinigen Problematik Scheidentrockenheit nicht erforderlich. Diese kommen z.B. zum Einsatz bei ausgeprägten Hitzewallungen.

Kann man es schaffen, mithilfe von Gleitcremes, Hormontherapie oder naturheilkundlichen Verfahren eine erfüllende Sexualität aufrecht zu erhalten?

Mit Hilfe der lokalen Behandlungen kann man sehr viel Entlastung schaffen. Insbesondere bei Frauen jenseits der Menopause ist bei Scheidentrockenheit ein regelmäßiger Einsatz einer östrogenhaltigen Creme unter Berücksichtigung der möglichen Risiken zu empfehlen.

 Wieso ist Scheidentrockenheit immer noch ein Tabuthema?

Das  Gespräch über das Thema Scheide ist generell immer noch ein Tabuthema. Nicht nur für die Frauen sondern auch für die Ärzte.  Auch das Thema Sexualität im fortgeschrittenen Alter, also jenseits der Menopause, ist immer noch mit Schamgefühlen behaftet. Spricht man als Arzt die Möglichkeiten einer Belastung aber offen an, so erlebt man oft Erleichterung und Entlastung auf der Seite der Frauen. Endlich haben sie das Gefühl, über das Thema sprechen zu können und auch ernst genommen zu werden.

Sind die Frauen, die mit Scheidentrockenheit zu kämpfen haben, noch besonders unter Druck? Wieso?

Es belastet, man kann nicht offen darüber sprechen, auch oft in der Partnerschaft nicht.

Sollte man denn lernen, offen darüber zu sprechen?

Man sollte immer lernen, offen darüber zu sprechen. Die Frau genauso wie der Arzt. Gerade auf ärztlicher Seite wird nicht immer danach gefragt und die Frau traut sich nicht.

Mit wem – außer dem Frauenarzt – können Frauen über dieses Thema reden? An wen kann man sich wenden?

Es ist sicher eine Generationenfrage. Heute 60-70jährige Frauen werden sich schwer tun, darüber zu sprechen. Aber den Folgegenerationen wird dies schon leichter fallen. So tauschen sich Frauen heute schon viel öfters über Belastungen aller Art aus.

Welche anderen Probleme – außer eventuell schmerzendem Geschlechtsverkehr – tauchen bei Scheidentrockenheit auf?

Schmerzen und Mißempfinden im Bereich der Scheide. Man „ merkt“ seine Scheide ständig. Normalerweise macht man sich keine Gedanken über deren Existenz. Einschränkung bei Sport und anderen Aktivitäten. Wiederkehrende Infektionen, da die Scheidenflora nicht stimmt. Aufsteigende Blaseninfektionen.

Wenn nun das Nachlassen der Produktion von Östrogen die Hauptursache für viele Beschwerden im Zusammenhang mit den Wechseljahren ist, dann könnte ja beispielsweise eine Hormontherapie das peinliche Thema Scheidentrockenheit (vaginale Atrophie) beenden.