Wieso ist die Zeit der Wechseljahre für Frauen so eine große psychische Belastung?

Es ist ja nicht für alle Frauen eine große psychische Belastung; einige sind auch erleichtert, denn das Thema Blutungen hört auf, das Thema Verhütung ist erledigt und nicht alle Frauen haben Beschwerden. Treten allerdings Wechseljahresbeschwerden auf, kann das natürlich schon zu psychischen Belastungen führen, wenn zum Beispiel eine berufstätige Frau unter starken Hitzewallungen leidet und deswegen nachts nicht schlafen kann.

Es ist sowieso eine Zeit der Veränderungen: die Kinder gehen aus dem Haus, man spürt den Alterungsprozess auf verschiedenen Ebenen. All dies sind Faktoren, die zu einer psychischen Belastung führen können.

Gibt es Frauen, die besonders empfindlich auf diese Zeit und die mit ihr einhergehenden Beschwerden reagieren – psychisch?

Es gibt sicherlich kein allgemeines Muster. Manche  Frauen, die bis dahin relativ tiefenentspannt durchs Leben gekommen sind haben plötzlich Hitzewallungen, Schlafstörungen und sind nicht mehr leistungsfähig. Das trifft sie relativ unvorbereitet. Auf der anderen Seite können psychisch vorbelastete Frauen Wechseljahresbeschwerden möglicherweise nicht so gut verkraften.

Generell wird zu viel auf die Hormone geschoben was psychische Belastungen angeht in diesen Jahren, das ist nämlich ein bisschen zu einfach gedacht. Ich bin der Auffassung, man sollte die Hormontherapie weder verteufeln, noch undifferenziert bei allen Frauen in den Wechseljahren einsetzen.

Bei einigen Frauen ist der Einsatz von Hormonen nicht nur sinnvoll, sondern auch gesund. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass sie einem schlimme Hitzewallungen und dadurch bedingte andauernde Schlaflosigkeit ersparen können. Den Einsatz einer Hormonersatztherapie sollte man individuell mit jeder Frau überlegen und natürlich auch alternative Methoden anbieten. Wichtig ist immer, Nutzen und Risiken abzuwägen.

Was bedeuten die Wechseljahre für die Partnerschaft und die Sexualität?

Es kommt immer drauf an, wie ausgeprägt die körperlichen Beschwerden sind. Andauernde Schlafstörungen, Reizbarkeit und  Verstimmungen wirken sich natürlich auf die Partnerschaft aus. Generell in dem Alter: wenn die Kinder aus dem Haus sind, verändert sich der gemeinsame Alltag und damit die Beziehung wieder.

Hinzu kommen Alterungsprozesse und körperliche Veränderungen. Dies kann sich auf die Sexualität auswirken. Manche Menschen verzichten ganz auf Sexualität; wichtig ist, in der Bewertung dieser Haltung, ob es einen Leidensdruck gibt und die fehlende Sexualität zu einem Paarkonflikt führt.

Was bedeuten die Wechseljahre für Singles?

Für Singles stellt sich die Frage, warum man Single ist. Es gibt Menschen, die sind gerne und gewollt alleine und andere eben nicht. Ähnlich wie bei Frauen in Paarsituationen können die Wechseljahre einen stärker belasten oder nicht.

Singles, die schon länger wenig sexuelle Kontakte haben und diese auch nicht vermisst haben, werden sich dann in oder nach den Wechseljahren nicht dran stören, wenn sie gar keine Lust mehr haben.

Entwickeln sich Männer und Frauen auseinander?

Die Wechseljahre sind meistens nicht der echte Grund. Wenn man betroffene Paare genau betrachtet, dann haben die sich schon vorher auseinander entwickelt. Eine Beziehung, die eine gute, vertrauensvolle Basis hat, verträgt durchaus auch einmal unregelmäßige Sexualität oder sich verändernde sexuelle Bedürfnisse, wie möglicherweise in den Wechseljahren.

Dass sich Männer und Frauen generell in der Wechseljahrsituation auseinanderentwickeln, kann man pauschal nicht sagen. Da herrschen noch viele klischeehafte Ansichten: Männer verlassen ihre alternden Frauen zugunsten Jüngerer. (Dies scheint gesellschaftlich auch nach wie vor eher akzeptiert zu sein, wie der umgekehrte Fall einer älteren Frau mit einem deutlich jüngeren Partner.

Wie kann der Partner einfühlsam auf diese Probleme eingehen?

Es geht viel über kommunizieren und verstehen und aushalten. Der Partner kann sich beispielsweise Gedanken darüber machen, wie er seiner Partnerin eine Freude im Alltag machen kann, wenn sie eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Nach Möglichkeit sollte er versuchen ihre Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen nicht persönlich zu nehmen.

Welche Haltung kann die Frau selbst einnehmen, um sich psychisch positiv zu beeinflussen?

Primär wäre die Akzeptanz der körperlichen Entwicklung als normalen physiologischen Prozess sehr hilfreich. Die Frau kann versuchen, ein bisschen gnädiger und versöhnlicher mit sich,  ihrem Körper und seinen Veränderungen zu sein. Eine gewisse Portion Humor ist dabei sicherlich hilfreich.

Herauszufinden was gut tut, wenn es ihr schlecht geht und es dann auch in Anspruch zu nehmen halte ich für sehr wichtig. Dazu gehört sicherlich jede Art von körperlicher Aktivität wie beispielsweise Bewegung an der frischen Luft, vielleicht auch gemeinsam mit anderen Frauen.

Darüber hinaus gewinnt körperliche Bewegung auch mit zunehmendem Alter unabhängig von Wechseljahrbeschwerden für die Gesundheit an Bedeutung. Sollten die Beschwerden allerdings sehr ausgeprägt sein, wäre es schade, wenn aus zu viel Angst vor Risiken eine medikamentöse Behandlung nicht in Betracht gezogen wird.

 

Interview mit Gabrielle Stöcker, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Psychosoziale Beratung, Pro familia Beratungsstelle Köln-Zentrum

Lesen Sie auch: